Was bringt Kamala Harris als US-Präsidentschaftskandidatin mit? Was hat sie geprägt? Was ist von ihr zu erwarten? Das fragen wir Marie-Astrid Langer.27.08.2024 | 6:38 min
Vier Jahre stand Kamala Harris als US-Vizepräsidentin im Schatten von Joe Biden. Was viele als Makel sehen, könnte sie jetzt für sich nutzen, findet die Journalistin Marie-Astrid Langer. Sie hat eine Biografie über Harris geschrieben. Es ist eine typisch amerikanische Geschichte: die einer Migrantentochter, die einen ungewöhnlichen Weg geht.
ZDFheute: Wofür steht Kamala Harris?
Marie-Astrid Langer: Kamala Harris ist als Privatperson typisch amerikanisch. Ihre Mutter kommt aus Indien, der Vater aus Jamaika. Sie ist eine Einwanderertochter, die in Amerika Karriere gemacht hat.
Politisch steht sie eher für den gemäßigten Flügel der Demokraten, hat im Laufe ihrer politischen Karriere eigentlich immer Positionen der Mitte eingenommen, weder sehr linke noch rechte Forderungen gestellt.
… ist Autorin von "Kamala Harris: Ein Portrait", erschienen 2021 im Suhrkamp Verlag. Als Journalistin lebt sie in San Francisco und berichtet von dort als Korrespondentin für die Neue Züricher Zeitung.
ZDFheute: Beim Parteitag der Demokraten wurde Harris als Hoffnungsträgerin gefeiert, obwohl sie als Vize wenig präsent war, gar Fehler machte. Wie überzeugt sie jetzt doch?
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Langer: Das Interessante an Harris ist, dass sie ein relativ frisches Gesicht in der amerikanischen Politik ist. Umfragen zeigen, dass die Meinungen zu ihr noch gar nicht so gefestigt sind, dass viele Leute gar nicht wirklich wissen, wofür sie steht.
ZDFheute: Was erwarten Sie?
Langer: Ich denke, eine Präsidentin Harris dürfte im Wesentlichen die großen Linien von Joe Biden fortsetzen, sprich, sie dürfte die Sozialsysteme weiter ausbauen. Es ist aber beispielsweise unklar, wie sie sich zu Migrationsfragen verhalten wird.
Auf internationaler Ebene steht sie für Allianzen, für die USA als verlässlichen Partner von Verbündeten. Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine vertritt sie eine harte Haltung gegenüber Russland.
ZDFheute: Sie haben 2021 eine Biografie über Harris geschrieben. Was hat Harris' Werdegang aus Ihrer Sicht besonders geprägt?
Langer: Es ist sehr bemerkenswert, dass Harris sich als junge schwarze Frau dazu entschied, Staatsanwältin zu werden. Auch im heutigen Amerika ist die große Mehrheit der Staatsanwälte weiß und davon wiederum die große Mehrheit weiße Männer.
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Frühere Kommilitoninnen und Freundinnen von Harris haben mir erzählt, wie kontrovers ihre Entscheidung war.
Dass Harris als Mitglied einer Community, die ja häufig Opfer von Polizeigewalt wird in den USA, Strafverfolgerin wurde, hat viele sehr erstaunt. Sie selbst sagt, dass sie diese Entscheidung verteidigen musste wie eine Thesis.
ZDFheute: Harris war Bezirksstaatsanwältin, Generalstaatsanwältin und Justizministerin von Kalifornien. Wie spiegelt sich ihre Karriere in ihrer Politik wieder?
Langer: Harris sieht Politik immer durch die Brille der Staatsanwältin. Das zeigt sich in der Art und Weise, wie sie bestimmte Kabinettsmitglieder von Trump oder Supreme-Court-Anwärter befragt hat. Ebenso darin, wie sie Politik verfolgt. Sie will zum Beispiel immer alles ganz genau wissen, ist dafür bekannt, Detailfragen zu stellen zu den Leitlinien, die man ihr vorstellt.
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ZDFheute: Harris gilt als Verfechterin des "Law and Order"-Prinzips, also von harten politischen Maßnahmen gegen Straftäter*innen. Dafür wurde sie von Mitgliedern der schwarzen Community immer wieder kritisiert.
Langer: Ja, viele finden es nach wie vor problematisch, dass eine schwarze Frau überhaupt in den Strafvollzug gegangen ist. Andere werfen es ihr vor, dass sie in diesen Ämtern der Macht nicht genug für die Interessen von Schwarzen lobbyiert habe, ihre eigene Hautfarbe vergessen habe.
ZDFheute: Kritik an Harris gibt es auch für ihren Umgang mit Migration und ihren Mitarbeitenden. Was bleibt davon hängen?
Mit dem Dossier Migration hat Präsident Biden Harris als Vize ein Thema gegeben, an dem sich die amerikanische Politik seit Jahrzehnten die Zähne ausbeißt. Und Harris hat sich diesem nicht besonders clever genähert. Bei ihrem ersten großen Fernsehinterview im Sommer 2022 hat sie sich sehr ungeschickt auf die erwartbare Frage geäußert, warum sie noch nicht an der Grenze war. Da konnte man als Beobachter wirklich nur den Kopf schütteln.
Dazu kommt: Im Präsidentschaftswahlkampf 2019 und ihrer Zeit als Vize haben bei Harris enorm viele Mitarbeiter nach überraschend kurzer Zeit gekündigt. Das soll an der Stimmung im Team gelegen haben. Harris soll zum Teil auf sehr undiplomatische Art und Weise immer wieder Details von ihren Mitarbeitern verlangt haben und einfach keine angenehme Chefin gewesen sein.
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ZDFheute: Keine drei Monate mehr bis zur Wahl. Denken Sie, sind die USA bereit für eine schwarze Frau im Weißen Haus?
Langer: Im Nachklang des Scheiterns von Hillary Clinton hat man immer wieder gehört, dass es vielen Wählern leidtat, dass eine kompetente Frau gegen einen vielfach als inkompetent wahrgenommenen Mann verloren hat. Aber auch ich frage mich, ob eben diese entscheidenden Swing States wirklich bereit sind für eine Präsidentin Harris. Ich bin sehr gespannt, welche Antwort uns die Amerikaner geben werden.
Das Interview führte ZDF-Reporterin Luisa Houben für 3Sat Kulturzeit.
Quelle: ZDF
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